Holger Gettmann, Slowfood

Ein Hoch auf die Genuss-Schnecke

29.08.2024

Wer durch das Saarland reist, trifft immer wieder dort, wo gut und gerne gegessen wird, auf die Schnecke, das Symbol der Slow Food Vereinigung. Die aus Italien stammende Bewegung setzt sich seit mehr als 30 Jahren für eine regionale und nachhaltige Kultur des Essens und Trinkens ein. Ihre Anhänger haben im Saarland viele Gründe zu Jubeln, findet Holger Gettmann, Vorsitzender von Slow Food Convivium Saarland.

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Genuss Partner bei der Arbeit © Jedrzej Marzecki

WARUM IST DAS SAARLAND SO EIN GUTES PFLASTER FÜR DIE SLOW FOOD BEWEGUNG?

Hier hat man schon immer viel Wert auf gutes Essen gelegt, das Motto „Hauptsach gudd gess“ kommt nicht von ungefähr. Dabei geht es nicht nur um den Geschmack, sondern auch eine gute Portion Heimatliebe. Viele Saarländer kochen gerne mit heimischen Produkten – angefangen von Grumbeeren (Kartoffeln), die in verschiedensten Varianten auf den Tisch kommen, über die Äpfel der Streuobstwiesen, die als Viez (Apfelwein) im Glas landen bis hin zu Wild aus den vielen saarländischen Wäldern. Wer hierher kommt, schmeckt schnell das Saarland heraus. Diese erkennbare Regionalität ist ein wichtiger Bestandteil der Slow Food Philosophie, für die wir uns als Verein hier seit 15 Jahren einsetzen.

Schwenken im Landgut Girtenmühle © Jochen Tack

UND WIE SCHMECKT DAS SAARLAND?

Spannend und sehr abwechslungsreich. Es gibt natürlich die klassischen Gerichte wie Dibbelabbes (eine Art Kartoffelkuchen), den typischen Schwenkbraten oder herzhafte Eintöpfe, zu denen hier gerne süßer Obstkuchen gereicht wird. Interessant wird es, wenn traditionelle Speisen modern interpretiert und kombiniert werden. Dabei spielt der französische Einfluss eine große Rolle. Die Saarländer haben im Laufe der Zeit vieles übernommen, was ihnen bei den Nachbarn schmeckt und gefällt, seien es Spezialitäten wie Flammkuchen und Merguez-Würste, Einrichtungen wie das Bistro oder die Vorliebe für das Menü. Ich glaube, nirgendwo in Deutschland wird in Restaurants und Zuhause so häufig die Zusammenstellung von Vorspeise, Hauptgang und Dessert gegessen wie im Saarland.

Geselligkeit am St. Johanner Markt am Abend in Saarbrücken mit Weingläsern © Eike Dubois

MUSSTE DIE SLOW FOOD BEWEGUNG IM SAARLAND VIEL ÜBERZEUGUNGSARBEIT LEISTEN?

Überhaupt nicht. Denn viele Produzenten, Köche und Gastwirte im Saarland arbeiten bereits jahrelang und selbstverständlich nach den Prinzipien von Slow Food: gut, nachhaltig und fair. In den Genussführer von Slow Food Saarland kommen nur Gasthäuser und Produzenten, die diesem Dreiklang entsprechen, regional geprägt arbeiten sowie einen guten Service anbieten. Bisher haben wir zehn Restaurants und 17 Produzenten in unsere Empfehlungsliste aufgenommen. Und ständig stoßen wir auf Neues. Gerade habe ich Pilze probiert, die ein Saarbrücker Biologe in einem alten Bunker züchtet. Köstlich! Solche Entdeckungen machen wir dann publik und bringen die passenden Leute zusammen.

Obst & Gemüse vom Neukahlenberger Hof © Marcus Simaitis

SLOW FOOD GILT AUCH ALS EINE GEGENBEWEGUNG ZUR FAST-FOOD-KULTUR. WAS STECKT DAHINTER?

Es ist doch furchtbar, wenn es überall auf der Welt gleich schmeckt und Essen nur noch schnell und nebenbei in sich hineingestopft wird. Wir möchten den Geschmack wieder für das Besondere und das Gute sensibilisieren. Das funktioniert aber nicht, wenn man mit dem Kaffeebecher „to go“ rumläuft. Dafür muss man sich Zeit nehmen und genießen. 
Ich finde, dass kann man im Saarland ziemlich gut. Denn es gibt hier unheimlich viele Möglichkeiten, sich auch für einen kleinen Snack hinzusetzen. Zum Beispiel im Sommer, wenn überall an der Saar Tische, Bänke und Liegestühle aufgestellt werden. Oder auf dem St. Johanner Markt, wo sogar im Winter die Menschen draußen an Tischen zusammenstehen und ein Glas Crémant mit einer frisch gebackenen Brezel genießen. Und kaum etwas entspannt mehr, als nach einer Wanderung in einem der vielen Landgasthöfe im Saarland einzukehren und sich verwöhnen zu lassen.