Die mit den Wölfen lebt
Eisig weht der Wind um die Nase und die Bäume knacken. Der Himmel ist grau und in der Ferne zwitschert ein kleiner Vogel. Dick einpacken muss man sich, wenn man die Wölfe im Wolfspark Werner Freund zu ihrer Lieblings-Jahreszeit besuchen möchte.
Tatjana Schneider erwartet uns schon am Eingang und freut sich sehr über unseren Besuch. Seit über 20 Jahren kümmert sie sich um die verschiedenen Rudel im Park. „Fragt mich gerne so viel ihr wollt, das ist das Schöne an den Führungen bei uns, es gibt so viel zu erzählen!“, sagt sie und läuft zum parkenden Auto. Es dauert nicht lange und sie kommt mit einem großen schwarzen Eimer zurück. Klar, dass wir schon am Zaun erwartet werden, denn im Eimer steckt ein riesigen Stück Fleisch für die beiden ältesten Bewohner des Parks: Peter und Kaori.
Langsam trottet Peter, der kanadische Timberwolf, auf den Eingang zum Gehege zu und wartet bis Tatjana die beiden Türen öffnet. 15 ½ Jahre hat er schon auf dem Buckel, was für seine Art ein stattliches Alter ist. Auf der Infotafel vor dem Gehege ist er in jungen Jahren mit tief schwarzem Fell abgebildet, mittlerweile hat es ein erhabenes Silbergrau angenommen. „Über Peter könnte ich wirklich tagelang erzählen. Uns verbindet eine ganz besondere Geschichte und wenn seine Zeit einmal gekommen ist, wird hier im Wolfspark wohl ein echter Volkstrauertag ausgerufen“, Tatjana lacht, kniet sich auf den Boden und stellt den Eimer vor sich. Kaori, die weiße Polarwölfin, die mit Peter das Gehege teilt, ist inzwischen dazu gekommen und zerrt ihr Stück Fleisch frech aus dem Eimer. Eigentlich waren die Timberwölfe mal zu Dritt, aber als nur noch Peter übrig war, kam Kaori dazu. Das ist nicht so leicht, erklärt Tatjana, denn die Wölfe haben ein ausgeprägtes Sozialverhalten und teilen nicht mit jedem Wolf ihr Revier. Da ist es auch egal, ob verwandt, männlich oder weiblich. Ganz langsam musste die Annäherung erst mal durch einen Zaun passieren, bis die beiden wirklich zueinander durften. Mittlerweile sind sie ein gutes Team und die 13 Jahre alte Kaori achtet sehr auf den älter gewordenen Peter. „Die beiden kommen ja vom selben Kontinent, deshalb ist das gut gegangen. In der Wildnis hätten sie sich auch begegnen können“, solche Details sind Tatjana und dem Wolfspark unheimlich wichtig, leben die Wölfe hier doch so natürlich wie möglich. Das macht der Wolfspark in Merzig auch so einzigartig in der Welt.
Das erste Gehege wurde 1977 durch Werner Freund, den Gründer des Wolfsparks errichtet. Die Idee war eine intensive Verhaltensbeobachtung durch enges Zusammenleben von Mensch und Wolf ohne die Tiere zu sehr in ihrer natürlichen Lebensweise zu beeinflussen. Mittlerweile ist der Wolfspark weltweit anerkannt und Tatjana hält auf allen Kontinenten Vorträge und klärt über die verschiedenen Wolfsrudel auf.
Aktuell leben 14 Wölfe im Park und können von Besuchenden nach wie vor kostenlos beobachtet werden. Jeden 1. Sonntag im Monat gibt es auch eine kostenlose Führung und regelmäßig zu verschiedenen Zeiten Fütterungen, bei denen man zusehen kann. „Die unterschiedlichen Zeiten sind wichtig, weil sie in der Natur ja auch nicht immer zur gleichen Zeit etwas zu Fressen bekommen“, erklärt Tatjana und läuft schon in Richtung Polarwölfe. Es geht ins Tal der weißen Wölfe zu Samu und Tani, den beiden Jüngsten im Park. 9 Monate sind die beiden und das merkt man direkt. Aufgeregt stehen sie am Zaun, knuffen sich und hüpfen übereinander. Überschwänglich wird Tatjana begrüßt und der Eimer erst mal ignoriert. Zuerst wird nämlich geschmust. Tatjana kommt kaum dazu sich auf den Boden zu knien, so sehr toben die beiden um sie herum. Dann kehrt aber doch kurz Ruhe ein und Tatjana wird ausgiebig beschnuppert und abgeleckt. Man erkennt sie kaum mehr zwischen den beiden, so groß sind sie mittlerweile geworden und so dicht ist das dicke weiße Winterfell. Als Tatjana das Gehege wieder verlässt stehen auch die anderen Polarwölfe im Nachbargehege am Zaun und wir werden mit einem ordentlichen Wolfsgeheul verabschiedet.